Die Erklärung des Heiligen 
Messopfers
von Pater Martin von Cochem
Die hl. Messe ist das kräftigste Bittopfer
				
				1. Im Gesetze des Moses hatte Gott den Juden nicht allein 
				Brandopfer als Zeichen der höchsten Anbetung, sondern auch 
				Friedopfer zur Erlangung zeitlicher Güter und zur Abwendung 
				schädlicher Übel angeordnet. Diese Fried- oder Bittopfer standen 
				bei den Juden in hohem Werte; sie erwarben durch dieselben 
				vieles Gute und wendeten vieles Schlimme von sich ab. Im 1. 
				Buche der Könige lesen wir (Kap. 7), als die Philister die 
				Kinder Israels überfallen wollten, da riefen diese zu Samuel, 
				dass er für sie bei Gott bitten wolle. Dieser opferte für sie 
				ein Lamm und rief Gott um Hilfe an. Da schickte Gott einen 
				Schrecken über die Philister, und sie wurden von den Israeliten 
				in die Flucht geschlagen. Ebenso lesen wir (2. Kön. 24), als 
				Gott das Volk mit der Pest schlug, da opferte David ein 
				Friedopfer und wandte die Pest von dem Volke ab. Dergleichen 
				Beispiele findet man viele in der hl. Schrift.
				
				2. Hat nun Gott dem hartnäckigen Judenvolke ein so kräftiges 
				Bittopfer gegeben, wie viel mehr wird er dann seiner lieben 
				Christenheit ein kräftiges Bittopfer verordnet haben, durch 
				welches sie so viele leibliche und geistige Güter von Gott 
				erbitten und alle schädlichen Übel von sich abwenden könne. Wenn 
				ein Lämmlein als Friedopfer den Opfernden so viele Gnaden 
				erworben hat, was für Kraft wird dann das unschuldige Lamm 
				Gottes haben, wenn es für uns auf dem Altare geschlachtet und 
				von uns mit dem ganzen Schatze seiner Verdienste aufgeopfert 
				wird!
				
				3. Die Kirche ist viel glücklicher als die Synagoge, denn diese 
				konnte ein Schlachtopfer nicht zu mehreren sondern nur zu einem 
				Zweck aufopfern. Ihr Brandopfer diente allein der Anerkennung 
				der höchsten Herrschaft Gottes, ihr Sühnopfer nur zur Verzeihung 
				der Sünden und ihr Bittopfer nur zur Erflehung von Wohltaten. 
				Weil ferner ein jedes auf besondere Weise dargebracht werden 
				musste, so konnte keins in zweierlei Meinung geopfert werden. 
				Die hl. Kirche aber, trotzdem sie nur das eine Opfer hat, kann 
				dasselbe in den verschiedensten Meinungen aufopfern und durch 
				eine einzige hl. Messe mehr erwirken als das Judentum mit all 
				seinen Brand-, Sühn- und Bittopfern.
				
				4. Dass man die hl. Messe in verschiedenen Meinungen aufopfern 
				kann, lehrt uns die Kirche in folgenden Worten des Konzils von 
				Trient (Sitzg. 22, Kan. 3): "Wenn jemand sagt, die hl. Messe sei 
				nur ein Opfer des Lobes und des Dankes oder nur eine bloße 
				Erinnerung an das am Kreuze vollbrachte Opfer, nicht aber auch 
				ein Sühnopfer, oder es nütze einzig dem Opfernden und dürfe 
				nicht für Lebende und Verstorbene, für die Sünden und Strafen, 
				zur Genugtuung und für andere Not aufgeopfert werden, der sei im 
				Banne." Diese Worte sind ein Artikel des Glaubens, dem wir bei 
				Verlust der Seligkeit zustimmen müssen. So ist es denn gewiss, 
				dass eine einzige Messe in vielfacher Meinung gelesen werden 
				kann und durch eine einzige Messe viele Dinge von Gott erbetet 
				und verlangt werden können. Ich kann nämlich eine hl. Messe 
				lesen oder hören oder lesen lassen zur größeren Ehre Gottes, zu 
				größeren Freude der Muttergottes, zu Ehren der Engel und 
				Heiligen, zu meiner eigenen Wohlfahrt, zur Erlangung oder 
				Erhaltung meiner Gesundheit, zur Bewahrung vor Unglück, zur 
				Verzeihung meiner Sünden, zur Besserung meines Lebens, zur 
				Erlangung eines seligen Todes. Um dies alles kann ich auch für 
				meine Freunde und sogar für meine Feinde, ja für alle Gläubigen 
				bitten, und ich kann auch ebendieselbe hl. Messe zur Erlösung 
				aller armen Seelen hören oder lesen lassen. Ja, je mehr 
				Meinungen du machst, um so mehr verdienst du, wie zu Ende dieses 
				Buches noch erklärt werden soll.
				
				5. Wie kräftig nun dieses Bittopfer sei, das lehren uns die 
				Gottesgelehrten, von denen Marchantius folgendes sagt: "Dieses 
				Sakrifizium hat eine unendliche Kraft, etwas zu erbitten, wegen 
				des unendlichen Wertes der Opfergabe und wegen der unendlichen 
				Würdigkeit des eigentlichen Opferpriesters, so sehr, dass keine 
				Gnade oder Gabe so groß ist, dass sie nicht durch Darbringung 
				dieses Opfers erbeten werden könnte. Auch die Zahl der Personen 
				kann nie so groß sein, dass dieses Opfer nicht für alle 
				ausreichte, wenn sie es für sich aufopfern oder von anderen 
				opfern lassen." Der Grund davon ist dieser: "Weil Christus, der 
				eigentliche Opferer, Gott unendlich angenehm ist; weil ferner 
				seine Verdienste, die Gott dem Vater geopfert werden, unendlich 
				sind, und weil seine Leiden, sein Blut und seine Wunden 
				unendlich viel gelten."
				
				6. Diese klaren Worte zeigen uns, woher doch die große Kraft der 
				hl. Messe kommt: ganz und gar aus der Größe der Person Christi. 
				Er opfert dem Vater bei jeder hl. Messe viel mehr, als er von 
				ihm begehrt; wie könnte ihm da der Vater seine Bitte abschlagen? 
				Damit stimmt auch der hl. Laurentius Justiniani überein, denn er 
				sagt gar schön: "Kein Opfer ist grösser, keins nützlicher, keins 
				den Augen der göttlichen Majestät angenehmer als das Opfer der 
				hl. Messe, in welcher unseres Mittlers empfangene Wunden, 
				zugefügte Schmach, erlittene Geißeln usw. gleichsam ans Licht 
				gebracht und dem Vater aufgeopfert werden. Ihm wird auch 
				aufgeopfert die angenommene Menschheit seines Sohnes, damit er 
				anerkenne, den er gezeugt und in die Welt gesandt, auf dass 
				durch seine Fürbitte den Sündern Verzeihung, den Gefallenen 
				Hilfe, den Gerechten das Leben gegeben werde." Wenn also der 
				Priester und das Volk, das die Messe anhört, dem himmlischen 
				Vater das Leiden, das Sterben, die Wunden und die Verdienste 
				Christi vor Augen stellen und aufopfern, so werden ja diese 
				vortrefflichen Gaben und Geschenke gar leicht die Erfüllung 
				einer bescheidenen Bitte erwirken.
				
				7. Im alten Gesetz befahl Gott den Richtern, dass sie keine 
				Geschenke annehmen sollten: "Du sollst nicht auf die Person 
				sehen und kein Geschenk annehmen, denn die Geschenke verblenden 
				die Augen der Weisen und verkehren die Worte der Gerechten" (5. 
				Mos. 16, 19). Mit vollem Recht hat Gott den Richtern die Annahme 
				von Gaben verboten, denn es gibt kein so hartes und festes Herz, 
				das nicht durch Gaben erweicht und zur Gunst für den Gebenden 
				geneigt gemacht wird. Und dennoch darf man behaupten, dass Gott 
				wegen Aufopferung einer Heiligen Messe anders richte und das 
				gefällte Urteil ändere. Wir sind nämlich versichert, dass die 
				göttliche Gerechtigkeit, wenn Sie aus unseren Händen eine so 
				unendlich kostbare Gabe empfängt, sie zugleich mit der 
				göttlichen Barmherzigkeit unser Begehren gutheißen und gleichsam 
				mit eigener Hand unsere Bittschrift unterzeichnen muss. Ich darf 
				natürlich nicht sagen, dass durch diese Gabe die Augen des 
				allerweisesten Gottes verblendet würden, wie die hl. Schrift von 
				den Augen der Menschen sagt. Wohl aber behaupte ich, dass Gott 
				um der hl. Messe willen sein gerechtes Urteil mildert. Die 
				göttliche Gerechtigkeit muss sich ja gleichsam durch diese Gabe 
				für befriedigt erklären und der göttlichen Barmherzigkeit den 
				Weg freilassen.
				
				8. Kisseli sagt deshalb: "In der hl. Messe bitten wir um die 
				göttlichen Wohltaten nicht allein im Namen der Barmherzigkeit, 
				sondern opfern auch den Preis der Verdienste des Leidens 
				Christi, und auf solche Weise kaufen wir gleichsam die begehrten 
				Gaben von Gott mit teurem Preis.“ Bedenke doch, was für kostbare 
				Gaben wir in der hl. Messe opfern und wie teuer wir die 
				erbetenen Wohltaten von Gott einkaufen! Wir opfern ihm die edle 
				Menschheit Christi, die zu größerer Ehre Gottes ist gegeißelt, 
				mit Dornen gekrönt und gekreuzigt worden. Wir opfern ihm 
				dieselbe Menschheit, die mit der Gottheit zu einer Person 
				vereinigt und durch diese Vereinigung aufs höchste geadelt 
				worden ist. Wir opfern ihm auch die Wunden, die Tränen und das 
				teure Blut, welche diese edle heilige Menschheit erlitten und 
				vergossen hat.
				
				9. Wenn man denn also streng genau reden will, so muss man 
				bekennen, dass wir bei Aufopferung der hl. Messe sogar viel mehr 
				geben, als wir durch unser Gebet begehren. Darum ist nicht 
				einzusehen, warum unsere vernünftige Bitte von Gott abgeschlagen 
				werden könnte. Soll denn der freigebige Gott, der versprochen 
				hat, auch einen Trunk kalten Wassers reichlich zu vergelten, uns 
				unbelohnt lassen, da wir ihm den Kelch des Blutes seines Sohnes, 
				welches bei der hl. Messe von neuem vergossen wird, andächtig 
				aufopfern?
				
				10. Christus hat nach dem letzten Abendmahl gesagt: "Wahrlich, 
				wahrlich, sage ich euch, wenn ihr den Vater um etwas bitten 
				werdet in meinem Namen, so wird Er euch geben" (Joh. 16, 23). 
				Wann können wir aber den Vater im Namen des Sohnes besser bitten 
				als bei der hl. Messe, in welcher wir ihn persönlich dem Vater 
				vorstellen und ihn zugleich mit allen Gebeten, die er auf Erden 
				gesprochen, dem Vater aufopfern? St. Bonaventura sagt: "Wenn ein 
				Herzog gefangen genommen wird, so wird er nicht eher entlassen, 
				als bis er sich mit einer großen Summe loskauft; also sollen 
				auch wir Christum, den wir in der hl. Messe als Gefangenen 
				haben, nicht eher freigeben, als bis er uns unsere Sünden 
				verzeiht und den Himmel verspricht. Deswegen hebt der Priester 
				Christum am Altare in die Höhe und ruft gleichsam allem Volke 
				zu: Sehet, derjenige, welchen die Welt nicht fassen kann, ist 
				unser Gefangener; so wollen wir ihn denn nicht eher loslassen, 
				bis wir erhalten, was wir begehren." Das ist gewiss ein guter 
				Rat, dem jeder folgen sollte, sprechend mit dem Patriarchen 
				Jakob: "Ich entlasse dich nicht, ehe du mich gesegnet hast" (1. 
				Mos. 32, 36).
				
				11. In den Jahrbüchern der Kapuziner wird von einer frommen 
				Frau, die ums Jahr 1582 in Spello lebte, erzählt, dass sie einen 
				gar bösen Mann hatte, der sie wie ein Tyrann behandelte und ihr 
				täglich alle Schmach antat. Dieses traurige Dasein führte sie 
				einige Jahre lang und geriet schließlich fast in Verzweiflung. 
				Eines Tages kamen zwei Kapuziner zu ihr ins Haus und baten um 
				Almosen. Sie gewährte ihnen ihre Bitte und klagte ihnen unter 
				Tränen ihre große Not. Die Brüder trösteten sie, so gut sie 
				konnten, und gaben ihr den Rat, täglich die Heilige Messe zu 
				hören und ihr großes Elend dem allmächtigen Gott aufzuopfern; 
				ihr roher Mann würde gewiss durch die Kraft der Heiligen Messe 
				milder werden und sie künftig besser behandeln. Die Frau dankte 
				für diesen guten Rat und versprach, denselben nach Möglichkeit 
				fleißig zu befolgen. Da der Mann jedoch gegen sie so hart war, 
				dass er ihr niemals erlaubte, an Werktagen die Heilige Messe zu 
				hören, so war nun die arme Frau sehr darüber betrübt, dass sie 
				dem Rate der Brüder nicht nachkommen konnte. Bald darauf fügte 
				es Gott, dass der Mann eine weite Reise antrat, wodurch die Frau 
				Gelegenheit erhielt, täglich die Heilige Messe zu hören. Dies 
				tat sie mit besonderer Andacht, empfahl sich und ihren schlimmen 
				Mann in die Heilige Messe, und rief Gott von Herzen an, dass er 
				ihrem Manne einen anderen Sinn geben möchte. Dieser kam eher von 
				seiner Reise zurück, als die Frau gedacht hatte, und wie ihm nun 
				die Magd auf sein Befragen mitteilte, dass seine Frau in der 
				Kirche wäre, und während seiner Abwesenheit täglich die Heilige 
				Messe gehört habe, da ergrimmte der Bösewicht so sehr, dass er 
				sie zum Teufel verwünschte und umzubringen beschloss. Sobald die 
				arme Frau das Haus betrat, ergriff er sie beim Halse und wollte 
				sie erwürgen. Die Frau, welche ihr letztes Stündlein gekommen 
				glaubte, schrie zu Gott und bat ihn durch die Kraft der Heiligen 
				Messe, sie zu erretten. Und siehe, alsbald war die Hilfe Gottes 
				da: die Hände des Mannes erstarrten nämlich plötzlich. Hierdurch 
				gegen sie noch mehr erbittert, hielt er seine Frau für eine 
				Zauberin und bot alle seine Kräfte auf, sie zu erwürgen. Allein 
				er vermochte es nicht, denn seine Hände wurden zuletzt wie Stein 
				so kalt und unbeweglich. Da erst erkannte er die Strafe Gottes, 
				bereute seine schwere Sünde und versprach seiner Frau in allem 
				Ernste, sein gottloses Leben zu bessern und sie fortan als sein 
				Eheweib liebevoll zu behandeln. Alsdann riefen beide die 
				göttliche Barmherzigkeit an und taten viele Gelübde und 
				Versprechungen, bis ihr Flehen endlich erhört wurde, und der 
				Mann seine beiden Hände wieder frei gebrauchen konnte. Diese 
				strenge Züchtigung hat dann auch bei demselben so viel genutzt, 
				dass er sein gottloses Leben wirklich aufgab, sein Eheweib 
				besser behandelte und mit ihr oft die Heilige Messe hörte.
				
				12. Siehe da deutlich an diesen beiden Eheleuten den großen 
				Segen des Heiligen Messopfers. Die arme Frau 
				hatte ohne Zweifel in ihrer schweren Not schon früher zu 
				Gott um Hilfe gerufen, war aber nicht erhört worden. Erst als 
				sie zur Heiligen Messe gegangen war, um da selbst ihr hartes 
				Leid Gott zu klagen, da erst ward sie nicht bloß von Gott 
				getröstet, sondern ganz und gar aus ihrer Not befreit. 
				
				0 wie vielen bedrängten Herzen mag durch die hl. Messe wohl 
				schon geholfen sein! Wie viele sind vor Verzweiflung bewahrt, zu 
				einem besseren Leben bekehrt und aus dem Schlund der Hölle 
				errettet! Denn es muss ja wahr sein, was Molina schreibt: "Durch 
				die so angenehme und reiche Aufopferung der hl. Messe kann ein 
				jeder Mensch alles, was er zu seinem Heil begehrt, von Gott, von 
				der Muttergottes und von allen Heiligen erhalten. Denn durch 
				nichts anderes wird er erwerben können, was ihm nach Aufopferung 
				des Messopfers versagt wird." Die Wahrheit dieses Spruches ist 
				ja in diesem Kapitel zur Genüge bewiesen worden. Denn bei der 
				Messe bittet der Mensch nicht allein, sondern der Priester, die 
				Engel und Christus selbst beten mit ihm und für ihn. Und sie 
				bitten nicht bloß, sondern bringen Gott eine Gabe, die so viel 
				wert ist wie Gott selber. Wenn ihm denn bei solcher guten 
				Gelegenheit seine Bitte abgeschlagen wird, wann und wo wird sie 
				ihm dann bewilligt werden? Darum bleibt es wahr, dass der Mensch 
				durch nichts anderes erwerben kann, was ihn nach Aufopferung des 
				Messopfers versagt bleibt.
				
				13. Hier möchtest du vielleicht fragen: Wenn denn nun die hl. 
				Messe ein so teures Opfer ist, wie kommt es denn, dass Gott 
				trotzdem diejenigen, welche ihm dieselbe aufopfern, nicht 
				allzeit erhört? Diese Frage beantwortet Pater Gobat mit 
				folgendem Grunde: "Wenn wir auch durch die hl. Messe viel 
				leichter als durch jedes andere Gebet den lieben Gott erbitten 
				können, so hängt doch die Wirkung der hl. Messe auch noch von 
				einigen Bedingungen ab, die keineswegs immer erfüllt werden." 
				Kardinal Bona fügt hinzu, dass der Gebende seine Freiheit 
				behalten muss, so dass er nach seinem Gefallen geben oder 
				abschlagen kann. Wir können ihn durch unsere Bitten zwar zum 
				Geben bewegen, aber nicht zwingen. Gleichwohl sei es gewiss, 
				dass auch eine solche Messe ihrer Wirkung nicht beraubt werde. 
				Denn wenn wir auch nicht genau dasjenige erhalten, was wir 
				begehren, so erwerben wir unfehlbar etwas anderes, was uns 
				dienlich ist. Wenn wir's auch nicht sofort bekommen, so doch zu 
				gelegener Zeit, die von Gott bestimmt ist. Etliche Gnaden sind 
				auch so groß, dass wir sie nicht durch eine oder die andere, 
				sondern durch mehrere und andächtigere Messen erhalten.
				
				13. Dies kannst du aus der Antwort Christi entnehmen, die er 
				einstmals der hl. Gertrud gab, da sie zu ihm gesprochen hatte: 
				"Woher kommt es doch, dass mein Gebet so oft gar nichts 
				erreicht?" Da sagte Er: "Wenn ich, die unerforschliche Weisheit, 
				bisweilen dein Gebet nicht deinem Wunsche entsprechend anhöre, 
				so verordne ich jedes Mal Nützlicheres dafür, wenn auch du, 
				durch die menschliche Schwachheit behindert, das Bessere nicht 
				unterscheiden kannst." Als wollte er sagen: Weil du nicht weißt, 
				was dir oder einem anderen nützlicher ist, deswegen gebe ich dir 
				nicht allezeit, was du begehrst, sondern das, was in meiner 
				göttlichen Weisheit als dir oder denen, für die du bittest, 
				nützlicher erkenne. Ein andermal fragte sie Christum: "Was 
				nützet es meinen Freunden, dass ich so viel für sie bete, da ich 
				doch keine Besserung bei ihnen verspüre?" Da sagte Er: 
				"Verwundere dich nicht, dass du keine handgreifliche Frucht 
				deines Gebetes siehst; ich ordne dieselben nach meiner ewigen 
				Weisheit zu bestem Erfolge. Doch sage ich dir: je öfter für 
				einen gebetet wird, desto seliger wird er, denn kein treues 
				Gebet wird ohne Frucht bleiben, wenn auch die Art der Erhörung 
				den Menschen verborgen ist."
				
				14. Mit dieser Antwort kann sich ein jeder begnügen und trösten: 
				denn Christus versichert uns, dass kein andächtiges Gebet ohne 
				Frucht und Belohnung bleibt. Wie viel weniger wird dann eine hl. 
				Messe ohne Frucht bleiben, da sie ja das beste Gebet der Welt 
				ist. Merke aber wohl, dass Christus gesagt hat: "Kein treues 
				Gebet wird ohne Erhörung bleiben." Das "treue" Gebet besteht 
				hauptsächlich darin, dass man mit Vertrauen und ganzem Eifer 
				betet. Wer aber ohne Vertrauen betet, wird wenig oder nichts 
				erhalten, wie aus folgendem Beispiel zu ersehen ist.
				
				15. Im Leben des heiligen Abtes Severinus berichten Surius (2. 
				Jan.), dass einst um das Schloss Coruli eine ungeheure Menge 
				Heuschrecken niederfiel, die sehr großen Schaden an Früchten und 
				Bäumen anrichteten. Da nahm alles Volk seine Zuflucht zu 
				genanntem Heiligen, er möge ihnen in so großer Not durch sein 
				Gebet zu Hilfe kommen. Der mitleidige Abt rief alle zur Kirche, 
				ermahnte sie in einer nachdrücklichen Predigt zur Buße und zum 
				Gebet und sagte am Schlusse der Predigt: "Weil ich kein besseres 
				Gebet kenne als das Opfer der heiligen Messe, so will ich 
				dieselbe jetzt zur Abwendung des gegenwärtigen Übels lesen und 
				ermahne euch, dieselbe zugleich mit mir in der Meinung 
				aufzuopfern und ein festes Vertrauen darauf zu setzen. Das 
				bedrängte Volk kam dieser Ermahnung willig nach. Nur einer 
				sprach: "Fürwahr, eure Hoffnung ist eitel und nichtig; denn wenn 
				ihr schon alle Messen hören und den ganzen Tag im Gebete 
				verharren würdet, so würdet ihr gleichwohl nicht eine einzige 
				Heuschrecke vertreiben." Nach diesen Worten begab er sich nach 
				Hause an seine Arbeit.
				
				Alle anderen aber blieben in der Kirche, hörten die Messe mit 
				Andacht und riefen Gott eifrig um Vertreibung der Heuschrecken 
				an. Sodann gingen sie hinaus auf ihre Äcker, um zu sehen, was 
				sie mit ihrem Messehören erwirkt hatten. Da sahen sie zu ihrer 
				großen Verwunderung, wie die Heuschrecken auf einmal 
				davonflogen. Sie freuten sich herzlich darüber und dankten dem 
				gütigen Gott. Auch der kleingläubige Bauer, der der Messe nicht 
				beigewohnt, war zugegen und traute seinen Augen kaum, als er die 
				Heuschrecken in die Luft fliegen sah. Damit er aber die Sünde 
				seines Misstrauens erkenne und die gebührende Strafe erhielte, 
				so wendete sich das ganze Heer der Heuschrecken, welches schon 
				weit weg war, auf einmal um und ließ sich auf seinem Acker 
				nieder. Da rief er Gott weinend an, aber er blieb ohne Hilfe und 
				Trost. Die Heuschrecken zogen nicht eher ab, bis sie alle 
				Früchte seines Ackers verzehrt hatten.
				
				16. Aus dieser Geschichte lässt sich deutlich die Kraft des 
				Messopfers und die Strafe des Verächters desselben erkennen. Wir 
				sollten aber nicht diesem kleingläubigen Bürger, sondern dem 
				andächtigen Volke folgen und großes Vertrauen auf die Kraft der 
				hl. Messe setzen. Höre, wie St. Paulus so treulich ermahnt: 
				"Darum lasset uns mit Vertrauen hinzutreten zum Gnadenthron, 
				damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden, wenn wir 
				Hilfe nötig haben" (Hebr. 4,16). Wo ist aber der Gnadenthron, zu 
				dem Paulus uns einlädt? Es ist nicht der Himmel, denn dahin 
				können wir nicht emporsteigen. Es ist auch nicht der Gnadenthron 
				auf der Bundeslade des Alten Bundes, denn dieser war nur ein 
				Vorbild unseres Gnadenthrones. Es ist vielmehr der heilige 
				Altar, darauf das Lamm Gottes geschlachtet wird und sein Leben 
				für uns hingibt, auf dass es uns Gnade und Barmherzigkeit 
				verschaffe. Zu diesem Gnadenthron sollen wir täglich hinzutreten 
				und allda in unseren Nöten Hilfe suchen. Wir sollen aber mit 
				Andacht, mit Ehrerbietung und mit Vertrauen hinzutreten, denn er 
				ist der Thron der Gnade, nicht der Rache; er ist der Thron der 
				Barmherzigkeit, nicht der Gerechtigkeit; er ist der Thron, wo 
				wir Hilfe, nicht Verstoßung finden. Zu diesem Gnadenthron so 
				erzählt der hl. Augustinus, ist auch die hl. Monika alle Tage 
				geeilt und hat dadurch die Bekehrung ihres Sohnes erreicht - für 
				ihre Beharrlichkeit hat sich der barmherzige Gott ihr gleichsam 
				zum Schuldner gemacht und seine Versprechungen an ihr in 
				herrlichstem Maße erfüllt (Aug. Bekenntn. V, 9). Ihr ahme nach, 
				und hast du etwas zu begehren, so sprich mit ganzem Ernste:
 
  
